news from neue räume – Mai 2019
ARCHITEKTUR & DESIGN
Piero Portaluppi a Milano


Der Architekt Piero Portaluppi, durch seinen Entwurf für den italienischen Pavillon an der Weltausstellung 1929 in Barcelona bekannt geworden, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Moderne Norditaliens. Die Villa Necchi-Campiglio im Zentrum Mailands, 1932 - 35 erbaut und bis ins kleinste Detail der Innenräume gestaltet, ist ein herausragendes Beispiel seiner Architektur. Das Gebäude ist bis auf wenige Teile der Inneneinrichtung vollständig erhalten und mit seinen grossartigen Räumen ein Must für Architekten und Designer. Der italienische Filmemacher Luca Guadagnino hat die Villa als Schauplatz für seinen Film «I am Love» gewählt, eine eindrückliche Gesellschaftsstudie einer Mailänder Industriellenfamilie. Das Gebäude mit Eingangspavillon und Park ist seit 2008 im Besitz der FAI Fondo Ambiente Italiano und Teil des Museumsweges Case Museo di Milano. Ebenso eindrücklich ist die Casa Corbellini-Wassermann an der Viale Lombardia, deren Räumlichkeiten erst seit kurzem teilweise besichtigt werden können. Darin befinden sich die Ausstellungsräume der Galerie Massimo de Carlo MCMXXXIV. (Credits FAI, sz, jr)
portaluppi.org | fondoambiente.it | massimodecarlo.com | i am love
Handmade


Immer mehr steht das Handwerk im Zentrum der Aufmerksamkeit. Von oberflächlichem und konsumorientierten Verhalten übersättigt, wächst die Sehsucht nach Bodenständigkeit und nachhaltigen Werten. Othmar Prenner ist ein Künstler mit der Lieblingsfarbe Schwarz, der im Südtirol einfache, hochästhetische und gar nicht alltägliche Alltagsgenstände herstellt - formschöne, handgeschmiedete Messer, Schalen aus Stein und Boxen aus Zirbelholz. Georg Agostini und Lorenz Sternbach zeigen mit ihrer Manufaktur «das ganze Leben» eigenständige und eigensinnige Objekte mit einer modularen Systematik. Sie konzentrieren sich auf das Wesentliche, mit ihren Möbelstücke fokussieren sie sich auf Nutzung und Gebrauch, die Fertigung ist handwerklich und präzise. Ihre Entwürfe sollen dem Benutzer den Alltag erleichtern, damit er sich um die wichtigen Dinge kümmern kann - das ganze Leben lang. Carmen Gasser und Remo Derungs führen neben ihrer Arbeit als Innenarchitekten und Gestalter, ihren Verpflichtungen für den VSI und ihrer Lehrtätigkeit die Firma Svitalia der verstorbenen Susann Guempel weiter. Die Objekte sind schlicht und es werden immer wieder neue Produkte im Sinne der Designerin entwickelt. Dazu gehört die Portacandela, Kerze und Kerzenständer in einem, gefertigt in einer kleinen Manufaktur in der Nähe von Mailand. Sie ist weiss, grau und aus Bienenwachs erhältlich und aktuell auch in zarten, sommerlichen Puderfarben. (Credits Altamira, das ganze Leben, Svitalia)
100 Jahre Bauhaus: Bauhaus ist überall


Das Bauhaus hat die westliche Welt erobert. Bei uns gut bekannt sind die Bauten im Osten Deutschlands, wir haben alle die französischen Projekte studiert, erfahren aktuell vieles über Tel Aviv. Hier eher unbekannt hingegen sind die Gebäude aus der Bauhaus-Zeit in Kroatien. Viele der architektonisch interessanten Bauten sind zerstört worden, doch in Zagreb gibt es ein ganzes Quartier mit noch bestehenden Ein- und Mehrfamilienhäusern, die es zu besichtigen lohnt. Nach dem ersten Weltkrieg entwickelte sich Zagreb zum wichtigsten Wirtschaftsstandort des Landes, viele der angehenden Architekten studierten in Wien, Paris oder Prag und brachten die Ideen des neuen Bauens in ihre Heimat. Wichtig war vor allem der Einfluss Le Corbusiers. So entstand in Zagreb auch eine Unité, gebaut von Drago Galic, welche seit langem auf eine umfassende Sanierung wartet. Der Architekt Vladimir Mikic hat seine eigene Wohnung sorgfältig renoviert und mit Möbeln aus der Zeit eingerichtet. (Credits Marko Mihaljevic, Ino Zeljak, Hannah Vranko, zvg)
Bilder: Zentrum für Fürsorge 1956 | Vladimir Turina, Villa Pfeffermann 1930 | Marko Vidakovic, Unité 1954 | Drago Galic
WHAT'S NEW?
Salone del Mobile Milano 2019


Mit 386'000 Besuchern hat der Salone 2019 alle Rekorde gebrochen und gezeigt, dass alles möglich ist, von klaren Formen bis zu opulenten Mustern, von nobler Zurückhaltung bis zu ausschweifender Dekadenz. Es ist das Jahr der Farben und Dekorationen, ergänzt z. B. durch wild wuchernde Pflanzen wie bei der eindrücklichen Installation von USM. Verschiedenste neue Stoffkreationen und psychodelische Einrichtungen mit Strobolight und Leopardenprints gab es bei Dimore Studio unter «dimoremilano» im Cinema Arti zu sehen. Klassisch und formschön sind die Leuchten «spokes» von Foscarini, im Bild ein Entwurf des multidisziplinären Designerpaars GarciaCumini, welche sowohl mit Produkten als auch mit interessanten Inszenierungen auffallen. Opulent und sehr beliebt waren die gestreiften Sessel UP 50 von Gaetano Pesce im Showrom von B&B Italia. Beeindruckt haben uns auch die Wohnung mit der Einrichtung von the socialite family, die formschönen Objekte und hochwertigen Teppiche bei Hermès in der Pelota, die Kombination von Frühlingssträussen mit den bunten Mosaiken von Bisazza, die faszinierende Installation von Mamou Mani für COS - und noch einiges mehr. (Credits jr, sz)
Portrait Raf Simons für Kvadrat


Raf Simons war und ist eine Legende in der Welt der Mode - mit eigenem Label in Antwerpen, als Artistic Director von Jil Sander, Creative Director bei Dior Women und Kreativchef bei Calvin Klein New York. Seit 2014 entwickelt er in Zusammenarbeit mit Kvadrat eine Stoffkollektion, welche zuerst in seiner Herrenkollektion umgesetzt wurde und die sofort auf grosses internationales Interesse stiess. Der unverwechselbare Stil des grossen Designers hielt damit Einzug in die Wohnwelt. Es sind innovative Kombinationen von Materialien und Farbe, unverwechselbar und einzigartig in Textur und Ausdruck. Beim Fuorisalone 2019 hat Raf Simons die Textilien in einem eindrücklichen Ambiente in der Garage 21, einer ehemaligen Werkhalle, präsentiert. Beim Eingang überrascht die blühende Blumenwiese, danach faszinieren die Fertighäuser von Jean Prouvé mit originalen Möbeln und Leuchten, die grösstenteils aus dem Privatbesitz des Designers stammen. Gekonnt wurden dazwischen Stoffbahnen und Muster inszeniert. Als äusserst gelungene Ergänzung verwöhnte die britische Köchin Margot Henderson die Besucher mit ihren einfachen und doch exzellenten Gerichten und bewies damit, dass die britische Kochkunst die Konkurrenz zur italienischen nicht scheuen muss - im Gegenteil! Und unser Filmtipp zu Raf Simons «Dior and I» (Credits Getty Images, jr)
Swiss Design am Fuorisalone


Die Schweizer machten dieses Jahr bella figura in Milano. Allen voran hat Stephan Hürlemann mit seiner Installation « a piece of sky» für Skyframe die Zuschauer in den Bann gezogen, um für zwei Minuten einen Perspektiven- und Dimesionenwechsel zu erleben. Ganz ohne Möbel konnte man für einen Augenblick im sechseckigen Trichter einen Eindruck der Erde aus dem Weltall erhalten, untermalt von atmosphärischen Klängen. Sehr poetisch bespielte Thomas Merlo zwei Räume im Brera-Quartier mit seinen kultigen Masking-Tapes. Diese verspielten Kleberollen aus Reispapier wurden eingesetzt, um räumliche Inszenierungen zu verkleiden oder einen gedeckten Tisch als gestalterische Einheit erscheinen zu lassen - gekonnt und sehr kreativ, einer unserer Favoriten des diesjährigen Fuorisalone. Für den italienischen Hersteller Verywood gestaltete This Weber zusammen mit Matteo Ragni und Chiara Moreschi einen Workplace, mit dabei sein High Table «ROND T08». Und die Möbelserie «nenou» von Jörg Boner für COR hat mit Entwürfen und Auftritt beeindruckt. (Credits PD, jr, thisweber)
Agenda


Für Kunstkenner und -liebhaber ist die Art Basel der Event des Jahres (13. - 16. Juni). Zusätzlich freuen wir uns natürlich auf die gleichzeitig stattfindende Design Basel/Miami, wo Design und Vintage im Fokus stehen. Bis zum 24. November findet in Venedig die internationale Kunstbiennale statt, dieses Jahr als «Universes in Universe» unter dem Kurator Ralph Rugoff. Nach der umfassenden Renovation ist der 1967 erbaute Pavillon Le Corbusier in Zürich, neu unter der Führung des Museums für Gestaltung, wieder in den Sommermonaten für das Publikum geöffnet. Das Gebäude aus Stahl und Glas ist das letzte Werk des berühmten Architekten. Die erste Ausstellung (bis 17. 11.) ist seiner Sammelleidenschaft gewidmet - von Meeresschnecken über Keramik bis zu Industrieglas. Am 14. Juni findet in Basel das Seminar von Li Edelkoort, der bekannten Trendforscherin statt, dieses Mal über Trends in Fashion, Lifestyle und Farben 2020/21 mit dem Thema «brown is the new grey». (Credits artbasel, labiennale, sz, edelkoort)
artbasel.com | labiennale.org | pavillon-le-corbusier.ch | edelkoort.ch
LIEBLINGSORTE IM MAI - ANTWERPEN
to stay


Dass Antwerpen eine Stadt ist, wo Mode und Design im Zentrum stehen, ist unbestritten. Es gibt immer wieder neue, interessante Labels und Locations zu entdecken. Unser Favorit für einen stilvollen Aufenthalt ist Graanmarkt 17 - ein Stadthaus aus dem 17. Jahrhundert, vom bekannten Architekten Vincent van Duysen renoviert. Darin befinden sich Luxusappartement (Gästewohnung), Restaurant, Concept Store, Galerie und Eventraum - alle ausgestattet mit erlesenen Möbeln und hochwertigen Textilien, z. B. mit den Bugholzklassikern 209 und 2019 von Thonet. Vincent van Duysen beweist hier einmal mehr, wie erholsam und schön Minimalismus sein kann. Die Betreiber Ilse Cornelissens und Tim Van Geloven geben ihren Gästen ein Gefühl von zuhause, dazu passt ihr Leitspruch «stay as long as you want». Als Alternative bietet sich eine Übernachtung im sorgfältig renovierten Hotel Julien an, mit begrünten Innenhöfen eine modern eingerichtete Oase mitten in der Altstadt von Antwerpen. (Credits graanmarkt13, hotel julien)
to go


Auch kulinarisch ist Antwerpen ein Paradies für verwöhnte Geniesser. Wem der Sinn nach mehr als den weltbesten Fritten und Bier steht, hat eine grosse Auswahl an verschiedensten Restaurants und ihren Spezialitäten. Im Graanmarkt 13 - come hungry, leave happy - kocht Seppe Nobels. Neugierig und kreativ sucht er nach den besten Produkten für seine schmackhafte, marktfrische Küche. Dies tut er vom eigenen Dachgarten bis zum lokalen Bauernbetrieb. Zusätzlich betreibt er den hauseigenen Foodtruck, der jeweils samstags vor dem Haus kleine Gerichte to go anbietet. Ansonsten fällt uns auf, wie Kirchen hier neue Nutzungen finden. In einer ehemaligen Militärkapelle, ultramodern eingerichtet und unkonventionell gestaltet, kocht der Sternekoch Sergio Herman, der sein hochdekoriertes «Old Sluis» geschlossen und hier zusammen mit Nik Bril «the Jane» eröffnet hat. Die Küche ist am ehesten mit Casual-Fine-Dining zu beschreiben und bewegt sich auf hohem Bistro-Niveau mit allen erdenklichen Rafinessen. Auch das Cafe de Plek befindet sich unter kirchlicher Obhut, hier haben die Van Staeyen Interieur Architekten eine Seitenkapelle der Kathedrale zu einem modernen, gothischen Café umgebaut. Und Nik Bril eröffnet neu gegenüber «the Jane» sein eigenes Restaurant «August» in einem ehemaligen Augustinerkloster, welches ebenfalls ein Hotel beherbergt. (Credits graanmarkt13, dezeen, august)
to see


In fünf rohen Betonkörpern mit rosafarbenen Türen, gebaut von den Architekten Kersten Geers und David van Seeveren, wird in der Galerie Tim van Laere moderne Kunst gezeigt. Ganz etwas anderes ist die Wabi-Sabi Theorie des Kunstsammlers Axel Vervordt, in dessen Galerie ebenfalls Werke moderner Kunst zu besichtigen sind. Dieser hat sich auch als Inneneinrichter und mit seinen Büchern weltweit einen Namen gemacht. Beim Spaziergang durch den geheimen Vlaaikensgang sind die Häuser zu bewundern, die er vor dem Abriss bewahrt und mit viel Feingefühl restauriert hat. Ausserdem gibt es viele Einkaufsmöglichkeiten in Antwerpen. Concept Stores wie der bereits oben vorgestellte Graanmarkt 13 bieten ausgesuchte Designobjekte, Bücher und Mode an. Küchenhelfer von Maarten Baas, Kleinmöbel von Muller van Seeveren oder ausgesuchte Raumdüfte verlocken zum Kauf. Im St Vincent's, einer ehemaligen Druckerei, sind Vintage-Möbel das Hauptthema, dazu werden Kunst, Design und auch Bücher angeboten. Und in einem umgebauten Appartement des Labels Valerie Objects präsentiert das belgische Studio Muller van Seeveren seine Kollektion von Möbeln und Leuchten - beeindruckend und sehenswert. (Credits dezeen, graanmarkt13, st vincents)
timvanlaeregallery.com | graanmarkt13.com | stvincents.co | mullervanseveren.be
Bis zum nächsten Mal!
Konzept und Planung der 10. Edition von «neue räume» schreiten voran, es gibt inspirierende Sonderschauen und interessante Abend-Events. UND ES HAT IM MOMENT NOCH FREIE FLÄCHEN - FIRST COME, FIRST SERVE! Über Eure Ideen und Anregungen freuen wir uns auf news@neueraeume.ch. In Erinnerung an das wunderbare Essen von Margot Henderson bei Raf Simons|Kvadrat empfehlen wir den frühlingshaften Gurkensalat, der auch denjenigen schmeckt, die keine Gurken mögen.
last but not least: Cucumber, Mustard & Dill Salad - 1 bis 2 Gurken, schälen, halbieren, mit einem Teelöffel vorsichtig alle Kerne entfernen und in 0.5 cm grosse Stücke schneiden. Dann mit etwas Salz bestreuen und in einer Schüssel ca. 30 Minuten beiseite stellen. In der Zwischenzeit 1 EL grobkörnigen Dijon-Senf mit einem EL Rotweinessig, dem Saft einer Zitrone und 1 TL Zucker mischen und 100ml Olivenöl langsam dazu geben, so dass eine dickflüssige Sauce entsteht. Mit 2 TL frischem, grob gehackten Dill vermischen und über die zuvor abgetropften, kurz gewaschenen Gurkenscheiben geben. Dazu passen knuspriges Brot mit ungesalzener Butter und ein Glas Grecanico aus Sizilien. Das Rezept stammt aus Margot Henderson's Kochbuch «you're all invited», Penguin Books 2012.


judith raeber für neue räume 19